Patrozinium in der Filialkirche Neufahr am 9. Sonntag nach Pfingsten

26. Juli 1942

 

Liebe Katholiken!

Das Fest der Kirchenpatronin dieses schšnen, alten Kirchleins feiern wir heute.

Auch diese, der hl. Maria Magdalena geweihte Kirche, die in frŸhestes Mittelalter zurŸckgeht, hat die Aufgabe, das Heilandswort immer wieder wahr zu machen: ãWahrlich, ich sage euch, wo immer in der ganzen Welt das Evangelium verkŸndet wird, da wird man auch zu ihrem (Maria Magdalenens) Andenken erzŠhlen, was sie getan hat!Ò Und was hat sie getan, diese Frau, dass sie verdient, Ÿberall in aller Welt bekannt und berŸhmt und verehrt zu werden?

Was hat sie getan?

Wenn wir heute ihre Taten aufzŠhlen, so stehen am Anfang ihre SŸnden. Und dann folgt reuevolle Bu§e. Und am Ende steht unverbrŸchliche Treue. Maria Magdalena wŠre also gerade fŸr unsere Zeit ein wunderbares, vielsagendes Vorbild, denn unsere Zeit versteht wohl das SŸndigen, will aber nichts wissen vom reuevollen BŸ§en und doch zwingt der Herrgott dazu durch die Zeitereignisse, durch Not und Elend des Krieges: Es klingt uns das Wort des heutigen Sonntagsevangeliums schaurig ernst und aufrŸttelnd in den Ohren: O dass du es doch erkannt hŠttest und zwar an diesem deinem Tage, was dir zum Heile ist! Und das, was uns allen zum Heile wŠre, ist, den Krieg mit seiner Not, mit seinem Leid, mit seinem Elend als gottgewollte und gottgesandte Bu§e aufzufassen und nach dem Vorbild der BŸ§erin Magdalena zurŸckzukehren zur Treue gegen Gottes hl. Gebot, weil nur so wahres GlŸck aufgebaut werden kann!

1.    Am Anfang der Taten Magdalenens stehen ihre SŸnden:

Wie bei jedem Menschen. Das ist also nichts Besonderes. Und doch will uns die Besinnung darauf auch etwas Wichtiges sagen, gerade in der Jetztzeit, in der man, wie wohl selten einmal das SŸndigen versteht, aber kein VerstŠndnis haben will fŸr den tiefernsten Begriff der SŸnde. FŸr den selbstherrlichen, autonomen †bermenschen Nietzsches und seiner Nachbeter, die keinen ewigen Gesetzgeber und Richter Ÿber sich anerkennen wollen, gibt es freilich keine SŸnde. Man lacht und spottet darŸber, und wo es keine SŸnde gibt, da braucht man auch keine Erlšsung. Darum kann man das ganze Christentum als altmodisch zur Seite schieben. Der Mensch steht heute im Weltbild und Menschenbild so vieler da in seiner naturgeschaffenen, herrlichen Grš§e und Kraft, in der er sich ohne Hilfe von oben sein Paradies auf Erden baut.

Auch jene Frau, deren Andenken wir heute feiern, stand einst so da in ihrer selbstbewussten Kraft und jugendlichen Schšnheit, in der sie meinte, sich alles leisten zu kšnnen, sich ausleben zu dŸrfen, weil es ja keine SŸnde gibt: Maria Magdalena: Sie mag in ihrem €u§ern eine bezaubernde Erscheinung gewesen sein. Und in ihrer Heimat Magdala und in den NachbarstŠdten am galilŠischen See mag sie als Stern der Gesellschaft gefeiert worden sein, bis sich das Bauen auf eigene Kraft und das schrankenlose Genie§en und Sich-Ausleben rŠchte, bitter rŠchte: Die Lockrufe der Schmeichelei von au§en, der Hang zur Sinnlichkeit und zum Sinnesgenuss von innen drŠngten dieses schšne, aus guter Familie stammende MŠdchen nach und nach auf die abschŸssige Bahn: Gefallsucht, Eitelkeit, Sinneslust und Leidenschaft, Mangel an SchamgefŸhl, an zartem fraulichem Anstand in Zucht und Kleidung halfen zusammen: Sie sank, wie es in der hl. Schrift berichtet wird, zur ãstadtbekannten SŸnderinÒ, zur šffentlichen Dirne herab.

Und jetzt rŸmpften jene, die sie vorher zur SŸnde verfŸhrt hatten, die selbstgerechten PharisŠer, die Nase und gingen ihr aus dem Wege. In SŸnde und Laster gesunken, und nun auch noch verachtet und gemieden. Das war fŸr sie zu viel. In Augenblicken der Besinnung Ÿberkam sie Ekel Ÿber ihr SŸnderleben: sie erkannte es immer klarer, wie die niedere Leidenschaft und Sinneslust den Menschen doch nicht befriedigt. Und so suchte sie sich wieder herauszuarbeiten aus der SŸnde, konnte es aber nicht, musste einsehen, dass hier die eigene Kraft versagt. Dazu braucht es Kraft von oben, Gnade!

Da begegnete sie eines Tages dem Gottessohn aus Nazareth: Der Heiland hatte eben gepredigt von Umkehr und Bu§e, wenn die Menschen ins Himmelreich eintreten und nicht auf ewig verloren gehen wollen. Dann hatte er einen GichtbrŸchigen geheilt und ihn losgesprochen von seinen SŸnden. Damals hatten dieses Ereignis und die Persšnlichkeit des Herrn tiefsten Eindruck auf Magdalena gemacht. Der Heiland hatte sie angeschaut mit Augen, die auf den Grund ihrer Seele drangen und ihr sagten: Kehr um, noch ist es Zeit!

Das war der Blick gšttlicher Gnade und Barmherzigkeit, die auch den reuigen SŸnder nicht verstš§t, sondern in Gnaden aufnimmt, weil ja diese gšttliche Liebe und Barmherzigkeit in Christus Jesus Menschengestalt angenommen hatte, um zu suchen und zu retten, was verloren war. Und seit diesem Blick des gšttlichen Heilandes auf den Grund ihrer Seele erkannte sie es und erkannte es immer mehr, was es schreckliches um die SŸnde sein muss: Wie die SŸnde eine so furchtbare Beleidigung des ewigen Gottes ist; wie die SŸnde ein freches, selbstherrliches, eigenmŠchtiges Nein zum ewigen Plan und Willen Gottes ist; wie die SŸnde die gewollte und bewusste Umkehrung und Stšrung der weisheitsvollen und liebevollen Gottes- und Lebensordnung ist, zu deren Verwirklichung der Mensch mit seinem freien Willen beitragen soll.

Und tiefe Reue wurde wach in ihrer Seele. Der Entschluss zu Umkehr und Bu§e wurde immer stŠrker in ihr. Und gleichzeitig wuchs in ihr die Liebe zu jenem, von dem sie wusste, dass er auch ihr trotz des Abgrundes ihrer SŸnden Verzeihung und Vergebung gewŠhren kšnne. Und so gro§ und stark wurde schlie§lich diese Liebe zum gšttlichen Heiland, dass sie eines Tages alle Menschenfurcht und Scheu Ÿberwand und sich zu einer Tat entschloss, die einen Wendepunkt in ihrem Leben darstellen sollte:

 

2.    Die Tat ihrer reuevollen Liebe:

So wie es uns das Festtagsevangelium heute berichtet: Ein PharisŠer namens Simon hatte Christus zu Tisch geladen, nicht aus Liebe, nicht aus Gastfreundschaft, sondern nur mit der Absicht, diesen Propheten und WundertŠter aus Nazareth auf die Probe stellen zu kšnnen.

Von diesem Mahl, bei dem Christus geladen war, hatte Maria Magdalena erfahren. Und diese Gelegenheit wollte sie benŸtzen: Sie wollte, unbekŸmmert um das Gerede der Leute den Heiland aufsuchen und ihm einen sichtbaren Beweis ihrer Reue und dankbaren Liebe geben.

Sie geht hinein in die Halle, wo die GŠste versammelt waren, nŠhert sich dem Platz des gšttlichen Meisters und fŠngt nun an, die FŸ§e des Meisters mit TrŠnen der Reue zu benetzen. Und wie wenn ihre TrŠnen nicht wert wŠren, an den FŸ§en des Herrn zu bleiben, lšst sie ihr langes, schšnes Haar und trocknet damit die TrŠnen ab und kŸsst die FŸ§e ihres Erlšsers. Hierauf nimmt sie das mitgebrachte AlabastergefŠ§ und gie§t das kostbare Salbšl auf die FŸ§e des Meisters. Kein Wort spricht sie dabei. Ihre Handlungsweise sprach ja eine viel deutlichere Sprache als viele Worte es vermocht hŠtten: Es war ein lautes Schuldbekenntnis ohne Worte, ein Bu§psalm in der Sprache der TrŠnen, das Beten einer reuigen Seele im Sinnbild des ausgegossenen Salbšles.

Die PharisŠer in der Tafelrunde waren Ÿberrascht Ÿber die KŸhnheit des Weibes, das mit solch unerhšrter Frechheit in den Kreis dieser EhrenmŠnner eingedrungen war. Noch mehr staunten sie Ÿber die Ruhe und Gelassenheit, mit der Christus das Weib gewŠhren lie§. Die ganze Unterhaltung stockte. Die EhrenmŠnner fingen zu tuscheln an, rŸmpfen die Nase und gaben sich verstŠndnisvolle Zeichen, die besagen sollten:

Da sieht manÕs! Der mšchte ein Prophet, ein Herzenskenner sein und wei§ scheinbar nicht einmal, was fŸr eine die da ist, die ihn berŸhrt!

Der allwissende Sohn Gottes wusste aber sehr wohl, wer sie war, wusste auch sehr wohl, warum er das alles an sich geschehen lie§: DemŸtiges Bekenntnis der SŸnde, aufrichtige Reue und wahre Umkehr ist Gott tausendmal lieber als die scheinheilige, pharisŠische Selbstgerechtigkeit, in der diese MŠnner Ÿber die arme Frau lieblos aburteilen, dabei aber innerlich keinen Deut besser waren.

So verstehen wir das Wort des Heilands an den PharisŠer: Simon, siehst du dieses Weib? Ich kam in dein Haus und du hast mir kein Wasser fŸr meine  wandermŸden, staubigen FŸ§e gegeben. Sie aber hat meine FŸ§e mit TrŠnen benetzt und mit ihren Haaren getrocknet. Du hast mir nicht den Ÿblichen willkomm-Kuss gegeben, diese aber hat, seitdem sie hereinkam, nicht aufgehšrt, meine FŸ§e zu kŸssen. Du hast mein Haupt nicht mit …l gesalbt, wie es sonst Sitte und Brauch eines wahren Gastfreundes ist, diese aber hat meine FŸ§e mit kostbarer Salbe Ÿbergossen. Darum sage ich dir:

Ihr werden viele SŸnden vergeben, weil sie viel geliebt hat; wem aber weniger vergeben wird, der liebt auch weniger! Dann sprach Christus zur Magdalena: deine SŸnden sind dir vergeben! Geh hin in Frieden!

Das war die zweite Tat Magdalenens: Aufrichtige reue und tiefe, opferbereite Liebe zum gšttlichen Heiland. Und dazu sŸhnende Bu§e, die es ernst nahm mit der Umkehr und der RŸckkehr auf den Weg der Gebote.

Ich erwŠhnte schon, was uns hier Magdalena zu sagen hat: Von einem anderen biblischen BŸ§er, vom Kšnig David, der auch schwer fiel, dann aber reuig aufstand, demutsvoll sein Miserere betete und aufrichtig Bu§e tat, sagt der hl. Augustinus: Er sŸndigte, wie es die Menschen zu tun pflegen (peccavit, quod solent reges), er tat aber auch Bu§e, was die Menschen nicht zu tun pflegen! So kšnnte man auch von der hl. Maria Magdalena sagen: Sie sŸndigte, was die Menschen zu tun pflegen! Aber sie tat dann auch Bu§e, was die Menschen meist nicht zu tun pflegen! SŸhne und Bu§e! Es klingt nicht modern, dieses Wort, es wŠre aber sehr zeitgemŠ§: wir sollten wirklich das gro§e, drŸckende Leid des Kriegs, Not und Elend der Gegenwart auffassen und tragen als Bu§e, als SŸhne fŸr so viele Schuld der Vergangenheit. Dann wŸrde diese schwere Kriegszeit wirklich fruchtbar werden in der Erkenntnis dessen, was uns allen zum Heile dient! Lernen wir von der Heiligen des heutigen Tages.

Sie kehrte um in Reue und Bu§e. Sie fŸgte – und das ist ihre dritte Tat, die wir bewundern wollen, zur Reue auch die Treue, die Beharrlichkeit:

 

3.    Sie wurde wirklich aus der SŸnderin eine JŸngerin des gšttlichen Heilandes. Ihre Bekehrung war keine Augenblickstimmung, bei ihr war es wirklich ernst gemeint. Sie hielt fortan Christus die Treue bis zum Šu§ersten. Denn Magdalena ist eine der wenige, die wir dann auch unter dem Kreuze Christi treffen. Und hier unter dem Kreuze erkennt sie erst in voller Tiefe, was es um die SŸnde sein muss, dass Christus dafŸr so furchtbar leiden musste. Sie sah, wie er die Menschen, die SŸnder, bis zum Šu§ersten liebte und ihnen bis in den Tod die Treue hielt. Sie sah aber auch, wie der Gottmensch nach Gegenliebe dŸrstete und auf die Treue der Menschen wartete.

Und Magdalena suchte diesen Durst des gšttlichen  Heilandes zu lšschen. Sie liebte ihn auch in der tiefsten Erniedrigung. Sie blieb ihm treu und harrte bei ihm aus. Mit der Leiche Jesu geht sie von Calvaria weg zum Grabe, und nachdem Jesus dort zur Ruhe gebettet worden war, stellte sie sich gegenŸber dem Grabe auf und hielt weinend und trauernd die Totenwache, und am Ostermorgen war sie wieder die erste, die wieder am Grabe des Erlšsers stand. Zu ihrem Schmerz fand sie das Grab leer. Und als der Engel sie fragte: warum weinst du, da erwiderte sie: weil sie meinen Herrn fortgetragen haben. Da sieht sie den GŠrtner, der sie ebenfalls fragt:  Warum weinst du? Und sie fragt: wei§t du nicht, wo sie ihn hingetragen haben? Ihre Augen sind gefŸllt mit TrŠnen. Da sieht man nicht so klar und deshalb erkennt sie auch nicht den auferstandenen Meister. Aber wie der Heiland ihren Namen nennt, wie er ãMariaÒ sagt, erkennt sie ihn sofort am Klang der Stimme und sinkt ihm zu FŸ§en. Es ist eine kšstliche Freude, die sie bei diesem ersten Zusammentreffen mit ihrem Herrn nach seinem Tod genie§en darf, ein StŸck Himmel auf Erden als Lohn fŸr ihre Treue. Der Heiland fuhr dann in den Himmel auf. Von der Stunde an hat Maria Magdalena keinen Sinn mehr fŸr die Welt und ihre Freuden. Er, der ihre Seele ausgefŸllt und beglŸckt hat, ist ja fortgegangen.

Und deshalb zieht sie sich in die Einsamkeit zurŸck und hŠlt mit ihrem Meister in Gebet und Betrachtung geistigen Verkehr bis zur Stunde, wo sie wieder vor ihm auf die Knie sinken, seine FŸ§e kŸssen und in himmlischer VerklŠrung ihn umarmen darf.

Und seitdem ist die gro§e SŸnderin, die gro§e BŸ§erin fŸr ihre Bu§e und ihre Treue belohnt mit der Anschauung dessen, den ihre Seele liebte.

Das will uns Maria Magdalena am heutigen Tag, in der heutigen Zeit sagen: Gott verzeiht und verzeiht immer wieder dem, der mit wahrer Reue und Liebe zu ihm zurŸckkehrt..

Gott belohnt und belohnt mit ewigem Lohn den, der in aufrichtiger Bu§e ihm dient und die Treue hŠlt.

Das sagt uns Maria Magdalena, die aus der gro§en SŸnderin die gro§e BŸ§erin geworden ist: darum wollen wir sie bitten, dass wir immer mehr die SŸnde in ihrem furchtbaren Ernst erkennen, Umkehr halten und Bu§e tun und dann Christus die Treue halten, weil nur er und nicht kurze Sinneslust und vergŠngliche Erdenlust unser ewiges GlŸck ausmachen kann: Es gilt doch immer wieder, wie es im schšnen Lied des glŠubigen Mittelalters hei§t:

Jesus, all mein Leben bist du, ohne dich nur Tod! Meine Ruhe bist du, ohne dich nur Streit! Meine Freude bist du, ohne dich nur Leid, liebster Herr Jesu! Amen.